Menu
Seitenanfang

Themeninformation: Neuregelung zur Arbeitszeiterfassung und Verjährung von Urlaubstagen

Donnerstag, 02. März 2023

Im Jahr 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Unternehmen in der EU entsprechende Systeme schaffen müssen, damit die Mitarbeiter ihre geleistete Arbeitszeit festhalten können. Die Umsetzung dieser Vorgabe wurde den nationalen Gesetzgebern übertragen. Allerdings erfolgte in Deutschland danach keine gesetzliche Änderung.

1. Hintergrund zu der Änderung

Mitte September entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rahmen eines Grundsatzurteils, dass Unternehmen die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer systematisch erfassen müssen. Dafür nutzte es das Urteil des EuGH und das Arbeitsschutzgesetz als Grundlage. Bislang mussten lediglich Überstunden sowie Sonn- und Feiertage verpflichtend dokumentiert werden. Hierzu kommen nun die vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten, also Beginn, Ende und Dauer der geleisteten Arbeitszeit. Damit soll die Einhaltung der Höchstarbeitszeit und der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten sichergestellt werden.

Die Regelungen zur Arbeitszeiterfassung gelten bereits. Arbeitgeber dürfen mit der Aufzeichnung nicht erst darauf warten, dass eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen wird.

2. Überprüfung der Zeiterfassung

Die Arbeitgeber sind grundsätzlich dafür zuständig zu kontrollieren, dass die gesetzlichen Vorgaben des Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetzes
ordnungsgemäß eingehalten werden. Die Überwachung der Gesetzesbestimmungen ist ansonsten Ländersache. Diese und die nach Landesrecht bestimmten Arbeitsschutzbehörden (z.B. die Gewerbeaufsichtsämter) sind auch für die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zuständig. Nur sie - und im Streitfall die Gerichte - können deshalb verbindliche Entscheidungen im Einzelfall treffen. Bei Verstößen können Nachbesserungen verlangt oder auch Bußgelder verlangt werden.

3. Wie werden die Zeiten erfasst?

Grundsätzlich müssen die Zeiten nachvollziehbar und korrekt erfasst werden. Dafür ist jedoch nicht zwingend ein digitales System notwendig und die Erfassung darf auch auf Papier erfolgen. Das verwendete System sollte revisionssicher und praktikabel für das jeweilige Unternehmen sein.

Damit soll ungerechtfertigter Aufwand für insbesondere kleine Betriebe vermieden werden. Ein Unternehmen mit beispielsweise nur vier Angestellten kann sich so die hohen Anschaffungskosten für ein digitales System sparen.

Die Nachweise zur Arbeitszeit sollten erstmal für zwei Jahre aufbewahrt werden, solange es noch keine passende gesetzliche Vorschrift über die Dauer der Aufbewahrung gibt, falls die zuständige Aufsichtsbehörde einen Einblick in die Nachweise verlangt.

4. Für wen gilt die Regelung?

Von der Regelung sind all diejenigen betroffen, für die das Arbeitsschutzgesetz gilt und damit jeder Arbeitnehmer. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer von Zuhause aus oder beim Unternehmen vor Ort arbeitet. Nicht betroffen von der Zeiterfassung sind dagegen Selbstständige, Gewerbetreibende, Geschäftsführer und Hausangestellte in Privathaushalten. „Echte" leitende Angestellte werden von der Regelung ebenso nicht erfasst.

Damit sind insbesondere Führungskräfte gemeint, die zur selbständigen Einstellung und Entlassung berechtigt sind oder eine, auch im Verhältnis zum Arbeitgeber, nicht unbedeutende Prokura haben.

5. Vertrauensarbeitszeit

Vertrauensarbeitszeit ist weiterhin möglich, da diese Vereinbarung lediglich bedeutet, dass sich der Arbeitnehmer Beginn und Ende seiner
Arbeitszeit frei einteilen kann. Durch die Neuregelung dürfen Arbeitnehmer mit Vertrauensarbeitszeit sich ihre Arbeitszeit immer noch frei einteilen, sie müssen diese nun aber schriftlich oder elektronisch dokumentieren.

Die Aufzeichnungspflichten dienen dem Arbeitsschutz und dem Gesundheitszustand der Arbeitnehmer und rechtfertigt damit die Vertrauensarbeitszeit unter Beobachtung.

6. Wie geht es weiter?

Für das erste Quartal 2023 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geplant einen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz zu machen. Das Arbeitszeitgesetz soll in 2023 entsprechend reformiert werden. In diesem Zusammenhang könnten auch angepasste Regelungen zur Vertrauensarbeitszeit, der Möglichkeiten der korrekten Arbeitszeiterfassung oder auch zur Aufbewahrungsfrist der Arbeitszeitnachweise geschaffen werden. Wann mit den Anpassungen zu rechnen ist, steht allerdings noch nicht fest.

Verjährung von Urlaubstagen

1. Allgemeines

Das BAG hat eine Entscheidung über den Verfall von Urlaubstagen zugunsten der Arbeitnehmer getroffen. Grundlage dafür sind die  Verjährungsvorschriften des BGB, denn diese lassen sich auch auf den gesetzlichen Mindesturlaub anwenden. Es ist von einer Verjährungsfrist von drei Jahren auszugehen. Allerdings beginnt diese nicht, wie man zunächst annehmen könnte, zwangsläufig mit Ablauf des Urlaubsjahres. Es ist  vielmehr davon auszugehen, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Ende des Jahres beginnt, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine entsprechende Belehrung über seinen individuellen Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen erteilt hat und der Arbeitnehmer zudem seinen Urlaub freiwillig noch nicht genommen hat.

Die Umsetzung des BAG entspricht damit den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union. Zweck der Verjährungsvorschrift ist die Gewährleistung von Rechtssicherheit. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt dieser Zweck hinter dem Ziel der Grundrechte der Europäischen Union zurück, nämlich die Gesundheit der Arbeitnehmer durch die Inanspruchnahme zu schützen. Der Zweck der Vorschrift dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

2. Bedeutung für die Praxis

Für die Arbeitnehmer hat das Urteil positive Folgen. Viele Arbeitnehmer werden nun überprüfen, ob ihre Urlaubstage tatsächlich verfallen sind bzw. ob vom Verfall bedrohte Urlaubstage wirklich zeitnah verjähren werden. Für die Arbeitgeber bedeutet das Urteil dagegen Mehrarbeit. Es muss nachgewiesen werden können, dass die Arbeitnehmer ordnungsgemäß und vor allem rechtzeitig über ihren Urlaubsanspruch bzw. den möglichen Verfall ihrer Urlaubstage informiert wurden und ihnen auch die Möglichkeit gegeben wurde, dass der Urlaub genommen werden konnte. Nur dann erlischt der Urlaubsanspruch bzw. der Anspruch auf Ausgleichszahlungen

Wir rufen Sie auch gerne zurück – auch zu einem Zeitpunkt Ihrer Wahl:

Rückruf vereinbaren

Sie erreichen unsere Kanzlei auch
unter der Telefon-Nummer
+49 2181 2276-0.

powered by webEdition CMS